Wer der Entstehung des Sidecar Cocktails auf den Zahn fühlen will, findet wieder einmal mehr den Namen Harry MacElhone aus der Harry’s New York Bar in Paris. Aber ob er ihn wirklich erfunden hat? Und welche Rolle dabei das beiwagenbestückte Motorrad spielt, versuche ich im Folgenden zu klären. Es wird nicht einfach!
Der Sidecar ist ein typisch europäischer Cocktail aus dem goldenen Zeitalter der Bar. 1920 sind der Cocktail und das Lebensgefühl, dass er vermittelt definitiv in Europa angekommen. Auch wenn schon Jahre zuvor zaghaft einige Bars in den europäischen Metropolen eröffneten und die American Bar in großen Hotels ihren Platz fand, so verhalf das Auswandern der amerikanischen Barprofis einsetzend mit der Prohibition der europäischen Barwelt zu neuen Höhenflügen. In der Zeit von 1920 bis 1933 hielt es kaum einen professionellen Barkeeper in den Staaten. Wenige von ihnen hatten Lust, sich in Speak Easy Bars zu verstecken und ihr Handwerk illegal auszuüben. Gut für die Barlandschaft in Europa. Die meisten Barkeeper zog es in die Metropolen. London, Paris und Berlin. Nicht selten eröffnen sie hier neue Bars und steigerten damit auch die Nachfrage nach dem flüssigen Gold und müßigen Stunden am Tresen.
Einer dieser Exilanten, auch wenn es kein echter Amerikaner war, war Harry MacElhone. Er wurde 1890 im schottischen Dundee geboren und war bis 1920 als Barkeeper in New York. Danach zog es ihn wieder zurück nach Europa. Harry begann in der New York Bar in Paris zu arbeiten. Er hat sie drei Jahre später übernommen. Ihm wird nachgesagt, viele bedeutende Drinks kreiert zu haben: White Lady, Bloody Mary, Sidecar, Boulevardier und sogar French 75. Ob er die Drinks wirklich ins Leben gerufen hat, lässt sich heute nicht mehr sagen, bzw. sogar widerlegen.
Der Sidecar ist der erste Drink, der mit der Harry’s New York Bar in Paris in Verbindung gebracht wird. Doch scheinbar wurde der Sidecar nicht von Harry MacElhone das erste Mal gemixt. Er selbst veröffentlicht das Rezept 1922 in seinem Buch Harry’s ABC of Mixing Cocktails. Allerdings nennt er in der Erstausgabe Pat MacGarry als Urheber des Drinks. Warum sollte er das tun, wenn er der Sidecar-Vater ist? Zur gleichen Zeit veröffentlich ein anderer bedeutender Barkeeper aus Belgien Robert Vermiere sein Buch mit dem Titel Cocktails and How to Mix Them. Es enthält ebenfalls den Sidecar. Da stellt sich die Frage, ob der Sidecar überhaupt in Paris oder vielleicht doch sogar in London erfunden wurde. Denn genau da war Vermiere bis 1922 tätig. Sollte der Sidecar aus Großbritannien kommen, macht die Variante mit Brandy statt Cognac natürlich mehr Sinn. Angebracht wäre Brandy als Grundlage ebenfalls, wenn man David Embury Glauben schenken will. Er behauptet, der Sidecar ist ein über die Jahre immer weiter abgespeckter Brandy Daisy. Als wäre das alles nicht schon verwirrend genug, erhebt auch das Ritz Bar in Paris Anspruch auf die Urheberschaft.
Sidecar
Es bleibt also äußerst unklar, wo der Drink seinen Ursprung hat. Auch unklar bleibt, ob er mit Brandy oder Cognac gemixt wird. Ich jedenfalls bevorzuge Cognac. G
enauso strittig bleibt weiterhin, woher der Drink seinen Namen hat. Es gibt dazu die verrücktesten Geschichten. Selbstverständlich haben alle etwas mit dem Beiwagen eines Motorrads zu tun. Aber ob dieser als Schlafplatz für Betrunkene diente oder durch das Fenster in Harry’s Bar rauschte, bleibt rätselhaft. Passen würde die Geschichte mit de m amerikanischen Offizier, der sich während oder kurz nach dem Ersten Weltkrieg im Seitenwagen zu den französischen Cocktailbars chauffieren ließ. Denn das lässt sich sicher sagen. Die Geburtsstunde des Sidecars fällt in die Zeit von 1918 bis 1922.
In vielen Rezepten sind die drei Zutaten zu gleichen Teile vermixt. Harry Craddock bevorzugt eine stärkere Variante. Er mixt mit 2 Teilen Brandy zu jeweils einem Teil Zitronensaft und Cointreau. Mir gefällt persönlich das Rezept der Ritz Bar am besten. Auch wenn man den hier als sehr alt angegebenen Cognac durch einen etwas jüngeren ersetzen kann. Hier finden sich 5 Teile Cognac, 3 Teile Cointreau und 2 Teile Zitronensaft. Dann ist der Drink nicht zu sauer und die Spirituose kommt schön zur Geltung.
5cl Cognac
3cl Triple Sec
2cl Zitronensaft
Alle Zutaten kräftig schütteln und in ein Cocktailglas geben.
Titelbildquelle: Flickr / John Laurie